Antiterrordateigesetz (ATDG): Bedenkliche Befugniserweiterung

Am Donnerstag vergangener Woche hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Novellierung des Antiterrordateigesetzes (ATDG) und anderer Gesetze in der vom Innenausschuss geänderten Fassung angenommen. Hiermit soll, zumindest nach Auffassung der Bundesregierung, die Debatte um die Verfassungsmäßigkeit des ATDG und des Rechtsextremismus-Datei-Gesetzes (RED-G) vorläufig beendet sein, welche im vergangenen Jahr mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 1215/07  losgetreten wurde. Das BVerfG hat damals das ATDG für teils mit der Verfassung unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, eine Neuregelung zu schaffen, da das alte Gesetz nach dem 31.12.2014 seine Gültigkeit verliert. Unter Federführung des BMI wurde daraufhin von der Bundesregierung am 28.05.2014 ein erster Gesetzentwurf eingebracht, welcher vom Innenausschuss nochmals in einigen Punkten geändert wurde. Der neue Gesetzentwurf enthält zahlreiche Änderungen zur Umsetzung des Urteils 1 BvR 1215/07, welche sich im Schwerpunkt mit den aufgeworfenen Problemen der Eingrenzung des Nutzer- und Betroffenenkreises, der Schaffung erweiterter Dokumentationspflichten und Kontrollmöglichkeiten bei der Nutzung der Verbunddateien sowie der Begrenzung ihres inhaltlichen Nutzungsumfanges befassen. Die Gesetzesänderungen des ATDG und des RED-G treten am 01.01.2015 in Kraft.
Im Rahmen der Neuregelungen ist zunächst positiv hervorzuheben, dass diese dem erweiterten Schutz bloßer Kontaktpersonen, der verdeckten Speicherung bestimmter Daten, der Beschränkung der Inverssuche und der Verbesserung von Transparenz, Dokumentationspflichten und Kontrollmaßnahmen Rechnung tragen. Obgleich diese Änderungen nur einen punktuellen Charakter aufweisen, ist ebenso zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner damaligen Entscheidung die sicherheitsbehördliche Nutzung von Verbunddateien nicht für generell unzulässig erklärt hat.
Den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt der Gesetzesnovelle stellen daher nicht diese modifizierenden Regelungen dar, sondern vielmehr die Möglichkeit zur so genannten „erweiterten projektbezogenen Datennutzung“, welche neu in das ATDG übernommen wurde, zuvor in ähnlicher Form aber schon für die RED existierte. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde die erweiterte Datennutzung teils heftig kritisiert (siehe z.B. BR-Drs. 153/1/14, S. 4; BT-Drs. 18/2911, S. 2) und dies vor allem auch deshalb, weil die damit verbundenen Regelungen nicht lediglich der Umsetzung des Urteils des BVerfG dienen, sondern darüber hinaus erweiterte Ermittlungsbefugnisse schaffen. Der neue § 6a ATDG sowie der § 7 RED-G gestatten der an der jeweiligen Verbunddatei teilnehmenden Behörde, eine Auswertung der gespeicherten Daten über das bisher gekannte Maß vorzunehmen, indem sie eine umfassende Profilbildung und Datenverknüpfung legitimieren. Hiermit geht eine Strukturveränderung der Verbunddateien einher, die nicht nur mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben in Widerspruch steht, sondern darüber hinaus durch ihren operativen Charakter auch das informationelle Trennungsprinzip zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten angreift.
Weshalb eine derartige Befugniserweiterung unbedingt jetzt und in dieser verfassungsrechtlich bedenklichen Form durch den legislativen Entscheidungsprozess hindurch gebracht werden muss, ist fraglich. In jedem Fall erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass sich – entgegen den Interessen der Bundesregierung – in nicht allzu ferner Zukunft das BVerfG nochmals mit der Rechtmäßigkeit der Nutzung von sicherheitsbehördlichen Verbunddateien in Deutschland wird befassen müssen.
Siehe weiterführend zur rechtlichen Bewertung des Gesetzentwurfs auch:
Deutsches Institut für Menschenrechte, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Antiterrordateigesetzes und anderer Gesetze (BT-Drucksache 18/1565) am 22. September 2014.

 

Peter Schaar

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