Mehr Transparenz im Geheimen!

Das vom Deutschen Bundestag im Sommer 2005 kurz vor Toresschluss mit Mehrheit der seinerzeitigen rot-grünen Koalition beschlossene Informatinsfreiheitsgesetz enthält einen blinden Fleck: Die Geheimdienste. § 3 IFG nimmt die Nachrichtendienste ausdrücklich vom gegenüber allen Bundesbehörden bestehenden Anspruch auf Informationen aus. Während also jedermann – ohne Nachweis einer persönlichen Betroffenheit – vom Verkehrsministerium, dem Bundeskanzleramt und auch von der Bundespolizei Einblick in deren Akten oder den Zugang zu elektronisch gespeicherten Daten verlangen kann, besteht ein solcher Anspruch nicht gegenüber den Nachrichtendiensten. Sicher – auch ansonsten werden viele Anträge auf Informationszugang abgelehnt – aber jede Ablehnung muss begründet werden und die Antragsteller können die ablehnenden Entscheidungen gerichtlich überprüfen lassen – in vielen Fällen mit Erfolg. Bei den Nachrichtendiensten – dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst und dem Militärischen Abschirmdienst – hätten sie auch vor Gericht keinen Erfolg, denn hier greift die einzige „Bereichsausnahme“ des IFG: Hier und nur hier laufen Informationsbegehren stets gegen die Wand.

Warum enthält das deutsche Informationsfreiheitsgesetz – anders als etwa der US-amerikanische Freedom of Information Act – eine solche generelle Ausnahmebestimmung gegen die Transparenz von Geheimdiensten? Als das Gesetz formuliert wurde, bestanden das von Otto Schily geführte Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt Gerhard Schröders darauf. Ohne den Welpenschutz für die Geheimdienste hätte es kein Informationsfreiheitsgesetz gegeben.

Es ist an der Zeit, diesen besonderen Schutzschirm für die Geheimdienste endlich einzuklappen. Seitdem der Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre immer mehr Einzelheiten über die Verwicklung deutscher Geheimdienste in die globalen Überwachungsaktivitäten ans Licht bringt, wird immer deutlicher, dass hier vor allem zwei Dinge nötig sind: Mehr Transparenz und bessere rechtsstaatliche Kontrolle. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, endlich die generelle Ausnahmeregelung im IFG für die Geheimdienste zu streichen. Dort, wo vitale Sicherheitsinteressen entgegenstehen, müssten die Dienste auch dann keine Interna herausgeben – das mag man bedauern oder auch nicht. Trotzdem ginge von einer solchen Änderung das wichtige Signal aus, dass sich auch deutsche Geheimdienste innerhalb unserer Rechtsordnung bewegen. Es würde klargestellt, dass sie sich nicht mit irgendwelchen abstrusen Konstruktionen wie der „Weltraumtheorie“ der Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes und der Gesetze entziehen können – nach dieser offenbar vom BND vertretenen Theorie gilt das Grundrecht auf Fernmeldegeheimnis nicht für im Ausland gesammelte Telekommunikationsdaten und für den Datentransit durch Deutschland, soweit keine deutschen Teilnehmer betroffen sind.

Der Bundestag hat es in der Hand, dieses Signal zu setzen, und er sollte dies tun.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Schaar

Ein Kommentar

    Christian Lehmann | 13. April 2015 at 6:22

    Bedauerlich ist an der Sache nur, dass man mit den erfolgten Ablehnungen wieder mal ein Umstand schafft, der gut betuchte Bürger in die Lage versetzt, ihr Recht durchzusetzen und weniger betuchte außen vor lässt. Kaum ein Normalverdiener (damit meine ich die Mehrheit der Bürger, die bedauerlicher weise von unserem Turbokapitalismus an den Rand gedrängt werden) kann es sich leisten, hier noch Kosten für versierte Anwälte und Gericht zu tragen.
    Mit den bislang veröffentlichen Tatsachen kommt sehr häufig der Begriff Einigung vor.
    Dies bedeutet in unserem Rechtssystem, dass für beide Seiten Kosten entstanden sind, die dann nett beim Antragsteller hängen bleiben.

    Hinsichtich der genannten Weltraumtheorie ist es ja nur ein weiter Tropfen auf dem heißen Stein.
    In dem Maße, wie Verbindungen zu Lobbyisten, zu Geheimverhandlungen unter Umgehung der demokratischen Einspruchsmöglichkeiten zunehmen, so nimmt die Gesamtüberwachung der Bevölkerung zu. Die Verantwortlichen ziehen jedoch sanft den Vorhang zu.
    Todschlagargument ist nach wie vor der Terrorismus und die Verbrechensbekämpfung.
    Notwendige Personalstellen der Polizei werden den Kosten der Gesamtüberwachung geopfert.
    Faktisch hat sich jedoch weder die Schwerkriminalität noch sonst angestrebte wie angekündigt reduziert. Auch nicht die Aufklärungsquote. Eher die Hilflosigkeit, mit der Bilder von brutalen Überfällen auf Bahnhöfen ins Internet gestellt werden, die dann um Auskunft bitten.
    Als normaler Bürger etwas älteren Semesters ist man schon lange mit dem traurigen Gefühl des Überwachungsstaates – weit über den Möglichkeiten der DDR – vertraut.
    Da nichts, aber auch wirklich nichts ohne Grund geschieht, muss man sich zwangsläufig fragen, wer das wirkliche Interesse an dieser Totalüberwachung hat.
    Ich kenne es sonst nur aus Terrorregiemen, die rechtzeitig mitbekommen wollen, wann die Bevölkerung aufstehen will. Böse ist dann, wer böse denkt?
    Bedauerlich ist eher noch die Hilflosigkeit, mir der Datenschutzbehörden eher als Bittsteller und Mahner auftreten müssen, anstatt eine direkte und unmittelbare Eingriffsmöglichkeit zu besitzen.
    (Aktueller Fall HbbTV und opt out Verfahren bei Datenabgriff durch öffentlich rechtliche Sender).
    Datenschutz scheint mir alles in allem eher ein Alibibegriff zur Beruhigung der Bevölkerung zu sein.

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